Wir alle kennen vermutlich den Spruch: „Da ist mir ein Licht aufgegangen!“ Ihn bemühen und gebrauchen wir, wenn wir für ein nicht zu lösendes Problem plötzlich eine Lösung finden, langsam eine Einsicht gewinnen. Manchmal geht dem ein bewusstes Innehalten, ein Durchatmen, ein Augenblick der Stille voraus. Früher nannte man diese Art der Zuwendung an eine mögliche Hilfe oft auch Stoßgebet. Das Geheimnis dahinter ist, dass wir uns für einen Moment vom Problem lösen, dass wir uns für einen Moment von der Fixierung auf unser Tun und Denken abwenden, um uns einer neuen, noch unbekannten Möglichkeit, einer neuen Antwort zu öffnen. Manchmal brauchen wir den Abstand von Ideen, von Vorstellungen, von gewohnten Antworten, um Raum für die Möglichkeit einer neuen Antwort zu bekommen.
„In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise.“
Schon der erste Satz des heutigen Ausschnittes aus dem Johannesevangelium deutet an, was wir gerade bedacht haben. Jesus offenbart sich auf „folgende Weise“. Er offenbart sich auf eine andere Weise. Er offenbart sich für die Jünger anders, als sie es gewohnt sind. Zur Bestätigung der alten eingefahrenen Antworten brauchen wir keinen Erlöser, zur Bestätigung dessen, was wir immer schon so machen, brauchen wir keine menschliche oder göttliche Weisheit. Aber um aus Sackgassen, um aus festgefahrenen Situationen, aus Erfolglosigkeit, aus Mutlosigkeit, aus Einfallslosigkeit herauszufinden, dafür brauchen wir Unterstützung, dafür brauchen wir eine Weisheit, die weiter sieht als wir mit unserem gewohnten Blick.
„In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal.“ Jesus offenbart sich nach seiner Auferstehung. Und der Jesus, dem sie nach seiner Auferstehung begegnen, ist ein anderer als der Jesu, der er vor seinem Tod war. Die Auferstehung hat ihn verwandelt, und er möchte auch uns Anteil an dieser Verwandlung schenken, durch die Erfahrungen von Auferstehung – auch mitten im Alltag. Ein solches Auferstehungsbeispiel hören wir heute.
Und wiederum ist es ein Schlagwort unserer Zeit, das auch den Hinweis und die Unterstützung Jesus kennzeichnet: Achtsamkeit. Die Jünger sollen die Netze auf der anderen, auf der reichen Seite, auf der bewussten Seite auswerfen. Die Jünger sollen achtsam sein, sollen sich achtsam, bewusst sein, was sie tun, was sie wollen. Sie sollen das Gleiche tun, aber bewusst. Sie sollen das Gleiche tun, aber in einer anderen Haltung. Und – so die Geschichte – sie haben Erfolg.
Motiviert zu diesem Tun hat sie Jesus mit einer Frage: „Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ Eine Frage holt sie aus ihrer Lethargie, holt sie aus ihrer nächtlichen Enttäuschung heraus. Eine Frage, die ihrem Tun einen neuen Sinn gibt. Da sie nun bewusst, mit einem Auftrag und auf eine Bitte hin handeln, haben sie Erfolg. Es entsteht ein Gefühl der Ganzheit. Es entsteht ein Gefühl der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Es entsteht das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Es entsteht das Gefühl, dass der „Herr“ in ihrer Mitte ist. Leben wird ganz, Leben wird vollkommen.
Der Fischfang ist geglückt, es wird zusammen gegessen, Zerrissenes findet zur Ganzheit zurück. Jesus hat sich neu auf eine Weise offenbart, welche die Jünger in der Banalität ihres alltäglichen Lebens Auferstehung, Gemeinschaft, Liebe erfahren lässt. Diese positiven Erfahrungen waren nötig, damit die Jünger sehend wurden und Vertrauen konnten. Vertrauen darauf, dass Jesus in ihrer Mitte ist, dass er es ist, der sie neu in die Nachfolge ruft. In die Nachfolge eines geglückten Lebens.
„Da ist mir ein Licht aufgegangen!“ Wenn wir diese Erfahrung machen dürfen, wenn wir sie vielleicht öfter erfahren, dann stärken diese Erfahrungen unsere Art, in der Welt zu leben. Denn diese Erfahrungen geben uns Heimat, Sinn, Möglichkeit zu neuem, zu auferstandenem Leben.
„Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.“ Es sind diese gegebenen und gereichten Erfahrungen, es sind Erfahrungen der Verbundenheit und des Angebundenseins an den auferstandenen Christus, an die Schwestern und Brüder der Gemeinschaft, an den erlebten Sinn eines geglückten Alltags. Und immer wenn uns ein „Licht aufgeht“, immer wenn wir diese Erfahrungen machen dürfen, dürfen wir gewiss sein, dass der Auferstandene in unserer Mitte ist – so wie jetzt bei dieser Eucharistiefeier.
Sascha Heinze SAC