Der jüdischer Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1965) benennt in einem 1957 formulierten Nachwort zu seinem berühmten Buch „Ich und Du“ drei Möglichkeiten, wie Gott erfahren und verstanden werden kann. Er spricht von „Naturhaftigkeit“, die sich in allem darstellt (drittes Gesicht), von „Personhaftigkeit“ (zweites Gesicht) und von „Geisthaftigkeit“ als Ursprung von allem (erstes Gesicht).
Wir sprechen heute auch von den drei Gesichtern Gottes, von drei Weisen, in denen Gott erfahren werden kann. Diese Darstellung Gottes kann uns helfen, die heutige Aussage Jesu zu verstehen und einzuordnen. Wir hören Jesus heute sagen: „Ich und der Vater sind eins.“ Menschen, die heute tief spirituell unterwegs sind und dabei mystische Erfahrungen machen, sehen und glauben Gott in dieser Erfahrungsweise des Einsseins mit Gott. Sie erleben: Gott lebt in mir und ich in Gott.
Diese Erfahrungsweise ist uns Christinnen und Christen, die wir vor allem theistisch, also auf den Gott außerhalb von uns, also auf das Du Gottes, ausgerichtet sind, oft noch fremd, da auch unsere Gebete und unser Gottesbild vor allem in der „Personhaftigkeit“ – wie Buber es nennt – definiert und somit auf ein Du ausgerichtet sind. Diese Erfahrungsweise jedoch ist vielen Menschen heute fremd geworden. Gott als Person, die uns gegenübersteht, zu der wir beten, bitten, sprechen. Sie ist jedoch die vorherrschende Gestalt in unseren Kirchen und in den monotheistischen Religionen. Diese Art drückt Beziehung, Verbundenheit und Halt bei einem Du aus.
Gott kann jedoch, wie Buber es zu Recht ausdrückt, in verschiedenen Weisen erfahren werden. Auch die Sichtweise, Gott in der Natur, im Baum, im Kosmos, im Universum zu finden und zu glauben, ist heute sehr verbreitet. Diese Erfahrung gelingt vor allem in verschiedenen Formen der Meditation und der Betrachtung schöner inspirierender Dinge. Diese drei Erfahrungsweisen stehen sich heute leider oft getrennt und fast ein wenig unverbunden, ja, fast ablehnend gegenüber. Die einen glauben Gott im Wald, in den Bäumen, in der Natur, in schönen Dingen; die anderen beten zu Gott als Du; die anderen erfahren Gott in sich, und fühlen sich eins mit Gott.
Die heutige Selbstdefinition Jesu kann uns helfen, diese drei Erfahrungsweisen auch für uns erfahrbar und fruchtbar werden zu lassen. Denn auch Jesus glaubt alle drei Gesichter Gottes. Er betet zu Gott dem Vater, er glaubt sich eins mit Gott, er sieht Gott als das große Ganze, der Welt und Himmel und den ganzen Kosmos ein- und umschließt und in ihm präsent ist. Jesus lädt uns ein, die verschiedenen Erfahrungsweisen zu leben und zu erfahren. Da sie die verschiedenen Zugänge unseres Menschseins zur Wirklichkeit einschließen und uns so die Möglichkeit geben, Gott ganzheitlich, mit allen Sinnen und mit allen Wahrnehmungsmöglichkeiten und in verschiedenen Dimensionen und Perspektiven zu begegnen. Auch dürfen wir dann verschiedene Weisen des Zugangs zum Leben kennenlernen und leben. Denn unser Leben ist vielfältiger als wir es oft meinen, Gott ist größer und umfassender als wir es oft glauben, und Gott lässt sich in mir, im Du, im Wir erfahren. So wie auch wir uns im Leben erfahren.
Sascha Heinze SAC