Vieles in unserem Gottes- und Menschenverständnis leitet sich aus der Abbildhaftigkeit ab. Dass der Mensch Abbild Gottes ist, betont vor allem das Alte Testament. Aus dieser Vorstellung leitet sich unter anderem die Begründung der Menschenwürde ab.
Des Weiteren heißt die Abbildhaftigkeit, dass wir von gleicher Art sind wie Gott. Wir atmen seinen Atem, wir tragen den gleichen Herzschlag. Dies sehen zu lernen, dies wahrzunehmen, dies zu spüren, dafür ist Jesus ein- und aufgetreten. Auch heute tritt er wieder mit eine solchen Botschaft an uns heran:
„Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!
Wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben.“
Was ist das Neue an diesem Gebot? Neu ist nicht die Art und Weise der Liebe. Neu ist nicht die Aufforderung zur Nächstenliebe. Neu ist die Begründung: „Wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben.“
Gerade der Evangelist Johannes berichtet uns immer wieder in formschöner Sprache von dieser Wesensgleichheit Jesu mit Gott.
“Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen.“
Gott und Jesus, so beschreibt Johannes es uns immer wieder, sind von derselben Art, sind wesensgleich. Und deswegen gibt er uns dieses Beispiel und bittet uns zu lieben, wie er geliebt hat. Denn er hat geliebt, wie Gott liebt.
Liebe nicht nur als ethisches Prinzip, was in sich wertvoll ist, sondern Liebe als Ausdruck von Verbundenheit, von innerem Antrieb, als Ausdruck dessen, wer und was Gott ist. Nämlich Liebe. Und wir können es nachlesen, und wir können wissen, wie Jesus gelebt und geliebt hat. Es ist nicht eine abstrakte Forderung, es ist eine konkrete Bitte, eine konkrete Anweisung, die gelingen kann, wenn wir versuchen, in Verbundenheit mit Gott, mit dem Göttlichen zu leben, so wie Jesus es gelebt hat.
Und Jesus liefert eine weitere Begründung dazu. Er sagt mit seiner Haltung, dass diese Art der Liebe der Liebe Gottes entspricht. Es ist eine Liebe der Hingabe bis in den Tod; es ist eine Liebe der Barmherzigkeit; es ist eine Liebe der Verbundenheit; es ist eine Liebe der Klarheit und der Wahrheit; es ist eine Liebe, die sich nicht weg duckt, sondern die ihre Meinung sagt; es ist eine Liebe der Vernunft, welche die Unterscheidung der Geister kennt; es ist eine Liebe der Selbstliebe, die auch sich selber im Blick hat. Es ist eine Liebe der Empathie, des Mitgefühls, des Gespürs für den und die anderen; es ist eine Liebe der Verbundenheit, die keine Trennung kennt. Und weil Jesus uns auffordert, zu lieben wie er geliebt hat, zeigt er uns, wie der Vater liebt und wie dessen Wesen ist.
Und wir gehen noch einen Schritt weiter und erkennen, das Wesen des Vaters entspricht dem Wesen der ganzen Welt, des ganzen Universums und jedem Leben darin. Denn alles ist mit allem verwoben, alles ist mit allem in Beziehung. Dieses Beispiel Jesu zeigt uns auch wieder neu, dass es kein Getrenntsein gibt und dass, wenn wir diese Verbundenheit erkennen, erspüren, wahrnehmen und aus ihr leben, wir aus dieser Liebe leben können, um zu lieben, wie er uns geliebt hat. Jesu hat aus der innigen Beziehung mit Gott gelebt und geliebt. Sein Hinweis an uns ist es, in diese Beziehung der Liebe hineinzuwachsen, uns dieser Beziehung zu öffnen.
Jesus gibt uns zwei Hinweise, wie wir diese Art der Liebe leben können. Erstens, so wie er aus dieser Beziehung zu Gott zu leben, und zweitens, an seinem Beispiel die Liebe als ethisches Prinzip ableiten, um zu versuchen, so zu lieben, wie er geliebt hat. Denn wir können nicht von heute auf morgen lieben, wie er geliebt hat, weil wir diese innige Beziehung mit Gott nicht machen können. Weil wir uns diese Freiheit und diese Möglichkeit nicht selber schenken können. Wir können uns für sie öffnen, sie kann uns geschenkt werden, bis dahin sollen und können wir versuchen, zu lieben nach seinem Beispiel.
Sascha Heinze SAC