Von uns wird in diesen Tagen, in dieser Zeit, ein wacher Verstand, ein differenziertes Denken, ein achtsamer Umgang mit den Dingen und den Ressource des Alltags und ein Verstehen dessen, was in unseren Gesellschaften in Bewegung ist, gefordert und erwartet. Erwartet und gefordert, damit ich, damit jede und jeder von uns umgehen lernt mit den Herausforderungen, welche die Brüche, die Unsicherheiten, die verschiedenen Krisen uns zeigen. Unsere Zeit mutet uns einiges zu.
Es ist für manche ziemlich viel, auch, weil wir es nicht mehr gewohnt sind, mit Unsicherheiten, mit Krisen umzugehen. Wir hatten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges schlichtweg fast keine großen gesellschaftlichen Krisen. Doch nun klopfen sie in schon fast gewohnter Regelmäßigkeit an unsere Tür. An die private, wenn sie uns zum Beispiel in Angst vor einem Krieg und in die Folgen des Krieges hineinzieht oder wenn sie uns in finanzielle Problem durch die vielen Teuerungen hineinführt. Hier sind wir aufgefordert, der Realität in die Augen zu sehen.
„Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.“ So sagt uns heute das Evangelium.
Versuchen wir beim Kleinen, bei dem, was uns angeht, zu bleiben. Versuchen wir dort, wo und wie wir leben, achtsam zu sein mit Strom, mit Gas, mit Öl. Versuchen wir, uns nicht verrückt zu machen, sondern versuchen wir im Hier und im Jetzt zu bleiben.
Und die Krisen klopfen an die gesellschaftlichen Türen. Versuchen wir wahrzunehmen, was sich uns zeigt, versuchen wir zu verstehen, was geschieht und versuchen wir, es einzuordnen in die verschiedenen Möglichkeiten des Umgangs, die uns gegeben sind.
Paulus sagt uns in der Lesung, wie das geht: „Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und wohlgefällig vor Gott, unserem Retter; er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“
Paulus ermutigt uns, unseren Blick, unsere Wahrnehmung und unseren Handlungsspielraum zu weiten, im persönlichen wie im gesellschaftlichen Leben. Paulus ermutigt uns, zu bitten, zu beten und Dank zu sagen.
Und er ermutigt uns, unseren Blick von uns auf andere hin zu weiten. Auf alle Menschen, auf die Herrscher:innen, „damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können.“ Wir sollen uns nicht in Panik, in Populismus, in Hamster- und Ausgrenzungsreflexe treiben lassen. Wir sollen uns bedacht, reflektiert, bewusst und mit Vertrauen auf das Leben, auf Gott, auf die Entwicklung und die Macht des Guten verlassen und vertrauen, „damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können“. Denn darum geht es. Wir sind nicht aufgefordert, in aller Unruhe selbst noch Unruhe zu stiften. Wir sind nicht aufgefordert, in aller Unsicherheit selbst noch Unsicherheit zu fördern. Wir sind nicht aufgefordert, Verschwörungstheorien zu glauben, wir sind nicht aufgefordert, populistischen Parolen von Heimat und einem viel zu eng verstanden „Wir-Gefühl“ Raum zu geben. Damit werden wir keine Krise lösen, damit werden wir unserer Fähigkeit, als Menschen menschlich und vernünftig zu urteilen und zu handeln nicht gerecht. Die Welt und unser Leben sind nicht so einfach, wie es uns manche zu versprechen versuchen. Die Welt und unser Leben sind ein komplexer Vorgang, der nur mit komplexen und differenzierten Herangehensweisen bewältigt werden kann. Wenn wir das verstehen und begreifen, können wir uns besser auf das Leben mit seinen Herausforderungen einstellen und einlassen. Das alles macht die Strom und Lebensmittelrechnung nicht billiger. Aber es kann uns helfen, mit den Herausforderungen angemessen, das heißt, menschlich, vernünftig, klug und differenziert umzugehen. Das heißt, innezuhalten, viele Perspektiven einzunehmen, um einen klaren Blick und ein Verstehen für die Zusammenhänge zu finden, um dann brauchbare Antworten zu finden und zu entwickeln, und um nicht verengt, mit engem Blick, mit schnellen und einfachen Antworten, die durch Angst und Unsicherheit getrieben und erzeugt werden, und mit ausgrenzenden Welt- und Menschenbildern, mit Ichbezogenheit und Ausgrenzungsdenken zu jonglieren, zu denken und zu handeln.
„Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und wohlgefällig vor Gott, unserem Retter; er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“
Jede und jeder kann nun entscheiden, wie sie oder er zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.
Sascha Heinze SAC