Manches Gift schleicht sich leise und heimlich ein: Alkohol, Drogen, Sex, Nikotin, Spielsucht. Sie sind Gifte des Alltags, die sich heimlich ins Leben schleichen können, die es von innen heraus zerstören können. Hier wird oft der ganze Mensch zerstört, die Seele vergiftet, der Leib erkrankt, leidet und stirbt. Oft ist nicht nur ein einzelner Mensch, sondern sind Beziehungen, Familien, Existenzen betroffen.
Ebenso kann sich manches Gift gesellschaftlich einschleichen: Populismus, Rassismus, vermeintliche sogenannte „Heimatliebe“, Abwehr alles Fremden, Ideologien. Sie können den Menschen und können Gesellschaften vergiften und töten.
„Fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“ Ein altes Bild, welches das Böse in der Sprache der Bibel beschreibt, und vor dem Jesus warnt. Er warnt davor, weil dieses Gift den ganzen Menschen ergreift und zerstört. Die Bibel verwendet dafür den Begriff der „Hölle“. Und meint damit die Ferne, das Abgetrenntsein vom Leben, von Gott, ein Leben, das in Finsternis und Zerstörung endet. Darum sind diese Formen des gesellschaftlichen Giftes so gefährlich, weil sie die Seele und den Leib töten können.
Zuvor heißt es bei Matthäus: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.“ Das sind Menschen, die – schlimm genug – den Leib töten, aber die Seele nicht töten können. Das eine Gift greift die Menschen von innen an und zerstört ihre Seele und somit auch ihren Leib durch Ideologie und Menschenverachtung und macht aus Menschen oft Täter. Das andere Gift tötet andere Menschen, macht sie zum Opfer durch Krieg, Vernichtung oder Versklavung, kann aber die Seele oft nicht töten.
Ich war vor ein paar Wochen im Konzentrationslager Theresienstadt in Tschechien. Das Gift der Ideologie und der Menschenverachtung hat Menschen anderer Meinung, anderer sexueller Orientierung, anderer Religion, anderer Nationalität, anderer Meinung getötet.
„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“ Wir sind aufgerufen, uns für das Leben zu entscheiden. Wir sind aufgerufen, uns vor jedem Gift, das uns an Leib und Seele schaden kann, zu hüten. Wir, jede und jeder von uns und wir als Gesellschaft, als Europa, als Welt.
Viktor Frankl schreibt in seinem Buch „… trotzdem, ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“: „In der Art, wie ein Mensch sein unabwendbares Schicksal auf sich nimmt, mit diesem Schicksal all das Leiden, das es ihm auferlegt, darin eröffnet sich auch noch in den schwierigsten Situationen und noch bis zur letzten Minute des Lebens eine Fülle von Möglichkeiten, das Leben sinnvoll zu gestalten. Je nachdem, ob einer mutig und tapfer bleibt, würdig und selbstlos, oder aber im bis aufs äußerste zugespitzten Kampf um die Selbsterhaltung sein Menschentum vergißt und vollends jenes Herdentier wird, an das uns die Psychologie des Lagerhäftlings erinnert hat -, je nachdem hat der Mensch die Wertmöglichkeiten, die ihm seine leidvolle Situation und sein schweres Schicksal geboten haben, verwirklicht oder verwirkt – und je nach dem war er »der Qual würdig« oder nicht. Man denke nur nicht, daß derartige Überlegungen lebensfern oder weltfremd sind. Gewiß, solcher Höhe sind nur wenige und seltene Menschen fähig und gewachsen; nur wenige haben sich im Lager zu ihrer vollen inneren Freiheit bekannt und zur Verwirklichung jener Werte aufschwingen können, die das Leiden ermöglicht. Aber wenn es auch nur ein einziger gewesen wäre – er genügte als Zeuge dafür, daß der Mensch innerlich stärker sein kann als sein äußerliches Schicksal, und nicht nur im Konzentrationslager.“
Wenn wir als Mensch innerlich stärker sein können als unser äußeres Schicksal, dann gilt für uns der letzte Satz des Evangeliums: „Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.“
Schützen wir also unsere Seele und unseren Leib vor jedem Gift, das ihm schaden kann, und trauen wir uns in die Freiheit, mit jeder Situation umgehen zu können, damit sie uns nicht schadet, sondern wir die Kraft finden, die uns am Leben erhält.
Sascha Heinze SAC