Eine Kooperation zwischen Haus der Stille und Co-Net
Im Oktober 2023 starteten wir eine Gesprächsreihe im Onlineformat, die mit Ende Mai ihren dritten Durchgang abgeschlossen haben wird. Wir haben uns auf einen Zyklus von drei Abenden geeinigt, in denen wir uns einem Thema auf verschiedene Weisen annähern.
Der erste Zyklus widmete sich dem Thema „Gott gestern – heute – morgen“. Wir versuchten, mithilfe der integralen Theorie von Ken Wilber und der christlichen Interpretation des Buches „Gott 9.0“ verschiedene Zugänge zu diesem Thema zu erschließen und zu vertiefen. Der zweite Zyklus stand unter dem Thema „Angst: Zwischen Schatten und Licht“. An diesen drei Abenden gaben wir dem Thema Angst, wie sie sich zurzeit in unserer Gesellschaft zeigt, Raum, Struktur und Sichtbarkeit, um ein tieferes Verständnis und einen Umgang mit diesen vielschichtigen Erscheinungsformen zu entwickeln. Der dritte Zyklus behandelte das Thema „Verbundenheit mit mir, anderen, der Natur und dem Göttlichen“. Eine vierte Reihe ist bereits in Planung.
Dieses Format wird vom Christlichen Offenen Netzwerk für lebendige Spiritualität – kurz CO-Net (früher ONCS) – und vom Haus der Stille veranstaltet. (Mehr Infos zu CO-Net finden Sie am Ende des Artikels.)
Wir möchten die Möglichkeiten, die der Raum des Internets bietet, nutzen und sie für uns erschließen. Online-Veranstaltungen bieten andere Möglichkeiten als Veranstaltungen in physischer Präsenz. Sie sollten nicht gegeneinander ausgespielt, sondern jeweils nach ihrer eigenen Qualität und den sich bietenden Möglichkeiten genutzt werden. Beispielsweise können Menschen, die weit voneinander entfernt wohnen, auf gute Weise miteinander in Dialog treten und Gemeinschaft erfahren, auch wenn sie nicht physisch beieinander sind. (Sascha Heinze SAC)
Im Gespräch – Tanja (Mitarbeiterin Haus der Stille) und Sarah (Vorstand Haus der Stille)
Tanja: Was meinst du, welchen Wert haben diese Art von Online-Gesprächsabenden für die Teilnehmenden? Was nehmen sie mit?
Sarah: Ich glaube, der Mehrwert besteht darin, dass man sich über Themen, eigene Fragen und Sehnsüchte austauschen kann, die im Alltag nicht so oft besprochen werden. Vielleicht auch deshalb, weil Menschen, die einen ähnlichen Zugang zur Spiritualität haben, weiter entfernt leben oder weil sie in ihrem Umfeld nicht viele Menschen haben, mit denen dieser Austausch möglich ist. Neben den inhaltlichen Themen, die Teilnehmende als hilfreich für ihre Fragen und Anliegen erachten, ist der Austausch untereinander wesentlich. Es klingt auch immer wieder die Einsamkeit mancher Teilnehmenden durch, dass sie in ihrem Umfeld wenig bis keine Menschen haben, mit denen gute Gespräche möglich sind oder mit denen sie Gemeinschaft erleben können. So bieten wir Menschen die Möglichkeit einer Weggemeinschaft an, der sie zumindest für eine gewisse Zeit angehören können. Und wer möchte, kann sich danach vernetzen und in Kontakt bleiben.
T: Was ist die “Andersartigkeit” der Erfahrung verglichen mit einem Präsenztermin?
S: Was mich auch immer wieder erstaunt und vielleicht auch etwas von der „Andersartigkeit“ von Online ausmacht, ist, dass viele Menschen, die sich zuvor nicht kannten, trotzdem sehr persönlich in den Austausch kommen und über das sprechen, was sie tief bewegt. Vielleicht auch mit dem Hintergedanken, dass die Wahrscheinlichkeit, diese Person dann in ihrem Umfeld wiederzutreffen, sehr gering ist. Also ein geschützter Raum auf Zeit.
T: Ihr habt ja etwas gelernt während der ersten Abende, Erfahrungen gesammelt und Veränderungen vorgenommen – welche waren das und aus welchem Grund?
S: Für mich ist es immer wieder ein Lernprozess zu verstehen, was nötig ist, damit (auch online) gute Gespräche entstehen, in denen ich mich als Person mit meinen Fragen und Sehnsüchten zeige, gehört und ernst genommen fühlen kann. Besonders, wenn die Menschen sich zuvor noch nie gesehen haben und vielleicht auch wegen der Technik ein wenig vorsichtiger sind.
Es ist für mich ein Ausprobieren, wie viel Bedarf es an Impulsen, Fragen und Steuerung gibt und wann es genügt, einfach den Raum zu geben, damit eine gute Begegnung stattfinden kann. Persönlich war für mich die Erkenntnis wesentlich, besonders bei Online-Formaten den Körper mit einzubeziehen, beispielsweise mit einer Körperübung zu beginnen, um zu spüren, dass wir doch Menschen mit Körper, Seele und Geist sind.
Meine weitere Erkenntnis war, dass es oft besser ist, mehr Raum zu lassen, gemäß dem Motto „weniger ist mehr“. Ich habe erfahren, dass mit Menschen, die ich zuvor nicht kannte, tiefe Begegnungen entstehen können. Ein wichtiger Aspekt, der jetzt in der dritten Runde hinzu kam, ist, dass die Menschen gerne etwas erleben oder erfahren möchten. Es geht also nicht nur um ein „Sprechen über Verbundenheit“, sondern wirklich um Übungen, um zuerst zu erleben und dann ins Gespräch und in den Austausch zu kommen.
T: Fehlt doch etwas im digitalen Beisammensein, wie es manche Menschen bemängeln? Falls ja, was ist es, das fehlt?
S: Wenn die Teilnehmenden nicht ungestört sind, später kommen oder früher gehen, weil es „nur online“ ist oder wenn die Internetqualität schlecht ist und man zu wenig versteht, ist es schwierig und das gute In-Kontakt-Kommen wird beeinträchtigt. Man hat dadurch den Eindruck, dass vieles fehlt. Wenn diese Punkte jedoch gegeben sind, ist auch online vieles möglich. Das Einzige, was mir persönlich fehlt, sind die informellen Pausengespräche und die Zeit davor und danach.
Falls man sich fragt oder zögert, ob es wirklich gut möglich ist, lade ich herzlich ein, es einfach auszuprobieren, um herauszufinden, ob es auch für dich eine gute Möglichkeit sein kann. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es ab 2. Juli 2024 in der Online-Reihe: Integrale Christliche Spiritualität.
T: Gibt es andererseits Vorteile dieser Art der Kommunikation?
S: Dass Menschen zusammenkommen, die sich im echten Leben nicht so leicht sehen würden; wir hatten Menschen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum dabei. Weiterhin ist es einfacher für Menschen, die Kinder betreuen oder die älter sind und abends nicht mehr gerne das Haus verlassen. Zudem ist die Schwelle niedriger, da es „nur“ online ist und ich notfalls schnell das Treffen wieder verlassen kann.
T: Was ist CO-Net? Kannst du das bitte etwas genauer beschreiben?
S: Das Christliche Offene Netzwerk für lebendige Spiritualität richtet sich an Menschen, die auf der Reise zu sich selbst sind und sich noch mehr entdecken möchten. Darüber hinaus bieten wir die Möglichkeit, anderen zu begegnen und sich wirklich auszutauschen sowie die eigene Spiritualität weiter zu erkunden und zu vertiefen. CO-Net ist ein Raum, in dem Lernen und spirituelle sowie religiöse Vertiefung zusammenfließen. Wir gehen über traditionelle Grenzen hinaus und bleiben doch in der christlichen Tradition verwurzelt. Wir bieten einen Raum voller Respekt und Unterstützung, in dem Begegnungen und Erfahrungen online und bei gelegentlichen regionalen Veranstaltungen erlebbar werden. Hier können Menschen aktiv teilnehmen und auch eigene Angebote einbringen – jeder und jede ist willkommen! Wenn du Interesse hast, melde dich gerne für den 1x monatlichen Newsletter oder weiteren Informationen unter info@co-net.space.
Sarah Straßnig und Andreas Schulz vom ONCR sind Freund:innen der Gemeinschaft und als Referent:innen im Haus der Stille tätig. Sarah ist seit Mai 2024 Vorstandsmitglied im Verein Haus der Stille.
Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.
Johann Wolfgang von Goethe