Die Zeit zwischen dem 1. September, der in den orthodoxen Kirchen als Tag der Schöpfung gefeiert wird, und dem Fest des hl. Franz von Assisi am 4. Oktober ist in den letzten Jahren in den christlichen Kirchen zunehmend als “Zeit der Schöpfung” ins Bewusstsein gerückt. Unabhängig davon hat es sich gefügt, dass in diesem Jahr das Schöpfungsthema Anfang Oktober im Haus der Stille besonders präsent war.
Da waren zunächst die vielfältigen Arbeiten im Garten – Ernten und Vorbereiten für den Winter – im Rahmen der Woche “Arbeiten und Innehalten”. Am Wochenende 6. – 8. Oktober begann ein neues Jahr der intensiven Beschäftigung im neu strukturierten Kurs “Die Bibel für mich entdecken” (bisher: Bibelschule im Alltag). Zukünftig wird es bei dieser intensiven Beschäftigung mit der Bibel in jedem Kursjahr einen thematischen Schwerpunkt geben. In diesem Jahr ist es das Thema der Schöpfungsverantwortung: “Die Bibel lesen in Zeiten des Klimawandels”. Ein Blick in das Buch Genesis macht deutlich, dass das Bewahren einer grundsätzlich guten und lebensbejahenden Schöpfung auch in die Verantwortung des Menschen gelegt ist, auch wenn seine “Sündenfälle” diese Ordnung immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen.
Nahtlos fügte sich da am 8. Oktober der Franziskusgottesdienst zum Fest des hl. Franziskus ein. Denn das Grundproblem (die “Ursünde”) des Menschen ist in der franziskanischen Sichtweise nicht das Streben nach Erkenntnis (das Essen vom Baum der Erkenntnis in Genesis 3), sondern die Unersättlichkeit, das Haben-Wollen, das auch in der Fülle des Paradieses nicht mit dem ohnehin Vorhandenen zufrieden ist. Denn “unmöglich ist es, dass ihre [der Menschen] Gier durch Erfüllung der Wünsche gestillt wird”, erkannte dann auch Martin Luther. Die einzige der Schöpfungsverantwortung entsprechende Haltung kann nach Franziskus nur die “Demut” sein, die “humilitas” (von Humus: Erdhaftigkeit). Die “Genügsamkeit” – so brachten es die Teilnehmer:innen des Bibelseminars auf den Punkt.
"Eine Spiritualität, die dem entspräche, hat allem voran dem Lob und dem Dank sowie damit verbunden der Ehrfurcht vor dem Geschenk Gottes einen breiten Raum zu geben. Diese Spiritualität ist eine asketische, weil sie einübt in ein Leben in und mit der Schöpfung. Sie ist zugleich eine genießerische, weil sie sich freut über das Geschenk der Schöpfung, und der beschenkte Mensch alle seine Sinne gar nicht lösen mag von diesem Geschenk. Eine solche Schöpfungsspiritualität schließlich gestaltet zudem ein Leben als "Mitarbeiter Gottes": sie kann Maß halten, weil sie im Glauben das Wasser des Lebens gefunden hat und in der Hoffnung schon am Ziel ist, sie nimmt zudem Teil an der Schöpferkraft Gottes und übt eine Kreativität ein, die mitfühlen, ja mitleiden kann, Versöhnung lebt und Liebe übt."
Thomas Schaak
(von 2001 bis 2012 Umweltbeauftragter der Nordelbischen Lutherisch-Evangelischen Kirche)
Asketisch und genießerisch zu leben ist kein Widerspruch – Franz von Assisi hat es uns gezeigt.
Nach dem Franziskusgottesdienst waren alle Gäste eingeladen, achtsam durch den Garten der Stille zu gehen und Schönes, Besonderes in der Natur zu finden: ein Blatt, einen Zweig, Schneckenhäuser, Samen, Zapfen, Blumen … Gemeinsam wurde aus den Schätzen des Gartens ein Bild gestaltet. Zum Dank erhielten alle Teilnehmer:innen ein Säckchen Wildblumensamen. Ermöglicht wurde diese Aktion, wie schon im letzten Jahr, durch KLAR! Stiefingtal. Mehr darüber…
In Zukunft wollen wir den Franziskusgottesdienst im Oktober immer als besonderen Schöpfungsgottesdienst gestalten. Ein weiterer Impuls für eine Vertiefung franziskanischer Spiritualität ist auch das monatliche Taizè-Gebet im Haus der Stille, das auf Initiative von Maria Grentner und Lisi Waltersdorfer erstmals am 11. Oktober stattfand.
Hans Waltersdorfer
noch einige Bildimpressionen aus dem herbstlichen Garten der Stille: