„Der Zweifel ist das Wartezimmer der Erkenntnis.“ So nennt eine freie Illustratorin aus Hamburg den Zweifel. Lange wurde er schräg angesehen, galt als unschicklich, war verpönt, weil man anscheinend keine klare Meinung, keinen festen Glauben oder ein wankelmütiges Gewissen hatte.
Der Gedanke, den Zweifel als das „Wartezimmer der Erkenntnis“ zu beschrieben, gefällt mir. Weil er zum Ausdruck bringt, welche Möglichkeit und welche Kraft im Zweifel liegen kann. In ihm kann etwas wachsen, sich klären, gedeihen. In ihm können sich verwirrte Gedanken neu ordnen, in ihm kann Erkenntnis reifen und geboren werden.
Ein Wartezimmer kann oft eine langweilige und langwierige Angelegenheit sein. Und doch kann der Aufenthalt in einem Wartezimmer Zeit entschleunigen, mich zur Ruhe kommen lassen. Die Zeit in einem Wartezimmer muss keine verlorene Zeit sein. Ich kann sie nutzen, mir nochmals klar zu machen, was mein Anliegen ist, das ich, wenn ich dran bin, vorbringen möchte. Es kann ein Raum sein, in dem ich ein Buch weiterlese. Es kann eine Gelegenheit sein, Gedanken nachzuhängen, wofür mir sonst keine Zeit bleibt. Das Wartezimmer kann also ein Freiraum für mich werden.
Aber kehren wir zurück zum Zweifel, der als Wartezimmer beschrieben wird, in dem Erkenntnis wachsen kann. Den Zweifel also wie das Warten in einem Wartezimmer als Möglichkeit sehen, sich mit dem Zweifel auseinanderzusetzen. Ihn nicht einfach isoliert, unbefragt und unbeachtet stehen zu lassen. Ihn nicht einfach übergehen, sondern sich mit ihm auseinandersetzen, ihn befragen, mit ihm in einen Dialog treten, damit er sich in Erkenntnis wandeln kann.
„Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ So wird es uns im Evangelium vom Apostel Thomas erzählt. Er hat Zweifel. Sein Zweifel wurde uns lange als ein Makel gedeutet. Er, Thomas, müsste einfach tiefer glauben. Und die Aussage Jesu: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ wurde uns als der Hinweis Jesu darauf gedeutet. Ich denke jedoch, dass es so gemeint ist, dass Jesus wirklich und ehrlich auf den Zweifel des Thomas eingeht, ihm eine Brücke baut, indem er ihn seine Wunden berühren lässt. Was Thomas bekennen lässt: „Mein Herr und mein Gott!“.
Es gibt verschieden Weg der Erkenntnis. Manchmal kommt eine Erkenntnis schnell und überzeugend in mein Leben, manchmal muss ich eine Weile ins Wartzimmer, damit Erkenntnis in mir reifen und wachsen kann. Ich glaube, der Satz Jesu: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ möchte aussagen: Wenn du nicht ins Wartezimmer musst, hast du es leichter, musst dich mit dem Zweifel nicht rumschlagen, kommst leichter zur Erkenntnis und zur Weisheit deines Lebens. Aber die Erzählung des Johannes Evangeliums zeigt uns quasi verschiedene Erkenntniswege auf und zeigt sie uns gleichwertig auf.
Jeder unserer Wege zur Erkenntnis und zum Bekenntnis ist von dem Wort „Friede sei mit euch!“ begleitet. Wie der Friede bei uns einzieht, ist eine andere Sache: einmal plötzlich, einmal schwer erkämpft im Wartezimmer der Erkenntnis. „Der Zweifel ist das Wartezimmer der Erkenntnis.“ Trauen wir also dem Zweifel und seinen Herausforderungen, wenn er sich in unserm Leben zeigt. Und setzen wir uns geduldig in sein Wartezimmer, damit Erkenntnis und Friede in uns wachsen können.
Sasche Heinze SAC