Als ich die heutigen Texte gelesen und meditiert habe, kam mir das Wort „Das Leben ist ein Kampf“ in den Sinn. Bei Kampf denken wir zunächst vielleicht an viel Anstrengendes, an Konflikte, an Niederlagen, an Krieg und Frieden, an Krankheit oder Tod. Doch ganzheitlicher betrachtet können wir den Kampf auch als Einbringen und Aufbringen von Kraft, von Mut, von Lebensenergie anschauen und deuten.
Die Bewältigung unseres Lebens braucht Energie. Diese Energie möchte freigesetzt werden. Wenn wir dies nicht tun oder aktiv behindern, können wir verkümmern, können wir kraftlos, können wir unbeweglich und eng werden. Es gibt in uns eine gesunde wie eine kranke, sich im Schatten befindende Kampfenergie. Die sich im Schatten befindende zeigt sich in dem, was uns gerade täglich vor Augen gestellt wird, im Krieg. Im sinnlosen, unkontrollierten, zerstörerischen Ausagieren von Kampfenergie. Die gesunde Seite dieser Kampfenergie zeigt sich in der Bewegung, die uns den „Kampf“ mit den täglichen Herausforderungen aufnehmen lässt und die uns dazu ermutigt und antreibt.
Kampfenergie: darauf weisen uns die Lesung des Apostels Paulus an Timotheus und das Evangelium des Lukas heute hin. „Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne, in aller Geduld und Belehrung!“ Tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne. Dafür brauche ich positive Energie, dazu brauche ich Mut, dazu brauche ich positiven „Kampfgeist“. Das Leben ist ein Kampf, „tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne“, und das mit Geduld und im Modus der Belehrung.
Manchmal muss ich mir diesen Mut, „gelegen oder ungelegen“, selbst zusprechen oder mir erkämpfen. Innerlich erkämpfen, indem ich genau auf meine Gefühle, auf meine Stimmung, auf meine Impulse achte. Trau ich mich, oder trau ich mich nicht; warum soll denn ich etwas sagen, kann ja auch ein anderer oder eine andere machen usw. Innere Kämpfe, quasi als Selbstgespräch oder als Gebet, wie es das Evangelium nennt, sind nötig, um Klarheit, um Mut, um „Recht“, wie es Lukas nennt, zu bekommen.
„In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!“ Recht verschaffen gegen den „inneren Schweinehund“, wie wir diesen „Widersacher“ in uns manchmal nennen. Ängste, Bequemlichkeit, Zurückhaltung, Scham, Feigheit, Ohnmacht, und ähnliches hindern uns manchmal daran, in unsere Kraft zu kommen, hindern uns daran, uns ins Leben zu wagen, hindern uns, mich dem zu stellen, was jetzt aber dran wäre, was als Herausforderung vor mir steht. Hier brauchen wir die Fähigkeit zur Aktivierung unserer positiven Energien, Energien, die uns in den positiven „Kampfmodus“ bringen.
Adrenalin zum Beispiel ist so eine Energie, die freigesetzt wird, wenn wir uns aufmachen in den Kampf, uns aus unseren Ängsten, Befürchtungen, Zurückhaltungen zu erheben. Dann kommen wir in unsere Kraft, dann kommen wir in unser Wort, dann kommen wir in unsere Möglichkeit, dann kommen wir in die Auseinandersetzung, in die Konfrontation, am besten Fall in den Dialog. Wenn wir dann in dieser Energie in diesem positiven „Kampfmodus“ bleiben, der weiterhin von der Zufuhr von Adrenalin begleitet ist, wenn wir in diesem Modus bleiben, dann werden wir zu unserem „Recht“ kommen. Zu einem Recht, zu dem uns Gott selbst verhelfen möchte: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.“ Gott wir uns unverzüglich unser Recht verschaffen, er zögert nicht. Trauen wir uns in unsere Kraft, lassen wir die Blockaden los, trauen wir dem Mut mehr als der Angst, trauen wir der positiven Lebenskraft in uns, die uns mit Mut und Energie zum positiven Lebenskampf ermächtigen möchte.
Trauen wir unseren inneren Dialogen, unserem Schreien und Rufen nach Leben, nach Antwort, nach Gott. Daraus wird uns Lebenskraft, Lebensmut, Kampfkraft erwachsen, damit „der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden“ wird. Den Glauben, der uns hilft, den Kampf des Lebens immer wieder neu aufzunehmen, um im Leben kraftvoll weiterzukommen. „In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.“
Im gut gekämpften Lebenskampf, in der Bewältigung dessen, was minütlich auf mich zukommt, finden wir diese Art des Gebetes.
Sascha Heinze SAC