Zur Übung der Resilienz, also zur Übung der Widerstandskraft, gehört es auch, zu lernen mit Leere, mit Fragen nach dem Sinn, mit Krisen, mit Zweifel, mit Krankheit, mit Leid, mit Tod angemessen umgehen zu lernen. Das heißt, aushalten und annehmen zu lernen, damit ich mich ihm, dem Ereignis, zuwenden und mich von ihm berühren lassen kann, um es ernst zu nehmen und in den Umgang damit zu kommen. Schritte und Aneignungsversuche, um mit dem herausfordernden Leben zurechtzukommen. Und es gehört Geduld, Beharrlichkeit, manchmal Hartnäckigkeit dazu, um bei einer Frage, einem Problem, einem Ereignis bleiben zu können. Bleiben zu können, damit ich einen Umgang damit finde.
Wir haben eben eine schöne Geschichte zu diesem Thema gehört. Eine Frau bittet Jesus, ihrer Tochter zu helfen. Sie wird herausgefordert, hartnäckig zu sein, denn Jesus weist sie zunächst ab. Denn er meint, er sei „nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Sie selbst verwickelt ihn in einen Dialog, in dem sie ihm quasi auf die Nerven geht. Jesus gibt nach und sagt: „Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst.“
Dein Glaube ist groß. Jesus hat Respekt vor der Größe des Glaubens der Frau. Widerstandskraft, nicht leicht nachzugeben, bei sich und ihrem Anliegen zu bleiben, das hat der Frau geholfen.
Auch im Buch Jesaja wird diese Qualität des Halten-Könnens von Überzeugungen, des Halten-Könnens der Möglichkeit, mit dem Leben umzugehen, beschrieben: „Alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen und die an meinem Bund festhalten, sie werde ich zu meinem heiligen Berg bringen und sie erfreuen in meinem Haus des Gebets, …denn mein Haus wird ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden.“
Halten, festhalten, an seinem Bund festhalten. Die an seinem Bund festhalten, wird er zu seinem heiligen Berg bringen. Sie werden Heil finden, sie werden Ruhe finden, sie werden Kraft schöpfen. Die, die vertrauen, die, die verbunden bleiben trotz einer Krise, eines Zweifels, einer Krankheit, die, die dranbleiben, sie werden Heil und Kraft finden.
„Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt“, heißt es am Schluss des heutigen Evangeliums. Resilienz, Widerstandskraft meint genau dies. Verbunden sein, in sich bleiben können, bei Gott, beim Leben, im Bund mit Gott, mit dem Leben bleiben können, auch wenn Stürme, wenn Fragen, wenn Herausforderungen mich umtreiben und in mir nach Antworten schreien, fragen, suchen. Manchmal finde ich die Antworten dann auch dort, wo ich sie vielleicht zuerst gar nicht vermute. Wie die kanaanäische Frau bei Jesus.
Als Kanaanäerin war die Frau für Jesus eine Fremde, fernab seiner Religion. Doch die Frau traut sich außerhalb ihres gewohnten Such- und Glaubenshorizontes nach Hilfe, nach Antwort, nach Heilung zu suchen. Auch wir dürfen uns immer wieder weiten, um unsere Resilienz, um unsere Widerstandskraft zu stärken, zu erweitern, um Raum für mehr Leben zu gewinnen. Sie traut sich in die Auseinandersetzung mit Jesus. Resilienz bedeutet auch, sich in die Auseinandersetzung zu trauen. Sie ist eine Form des Umgangs mit dem Leben, damit wir es bewältigen können.
„Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.“
Sascha Heinze SAC