„Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Diese Mission und Weisung Jesu hat gute Früchte gebracht. Das Christentum ist weltweit gesehen die Religion mit den meisten Mitgliedern. Die Ausbreitung des Evangeliums hatte jedoch nicht nur mit der Bitte Jesu, zu „allen Völkern“ zu gehen, zu tun, sondern auch mit anderen Einflüssen. Ein wichtiger Einfluss war die Entstehung der Staatsreligion des Christentums. Im Jahr 313 erließ Kaiser Konstantin das Edikt von Mailand, das die Religionsfreiheit im Römischen Reich gewährleistete und das Christentum legalisierte. Dieses Edikt beendete die staatlich sanktionierten Verfolgungen der Christen und erlaubte ihnen, ihre Religion offen auszuüben.
„Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern (und Jüngerinnen); tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Die Taufe auf den Namen des dreifaltigen Gottes und der Glaube an diesen dreieinen Gott sind wesentlicher Bestandteil unseres christlichen Glaubens geworden. Wir feiern heute das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit.
Ich möchte mit euch noch ein wenig auf die Dreifaltigkeit schauen und der Frage nachgehen, was diese doch ein wenig seltsame Konstellation von drei Personen als ein Gott für uns heute bedeuten kann.
Das Prinzip „der Drei“, welches wir in unserem Gottesbild des dreifaltigen Gottes finden, ist ein Prinzip, so möchte ich es jetzt mal nennen, das über das dualistische Prinzip hinausgeht, das normalerweise unser alltägliches Denken bestimmt. Unser dualistisches Prinzip der „Zweiheit“, des „entweder/oder“, vereinfacht unser Denken, wird aber der Wirklichkeit oft nicht gerecht. Dualistisches Denken ist bestimmt von verschiedenen Gegensatzpaaren. Ein paar möchte ich nennen: „Gut und Böse“, „Licht und Dunkel“, „Geist und Materie“, „Leben und Tod“, „Ordnung und Chaos“, „Subjekt und Objekt“, „Männlich und Weiblich“, „Innen und Außen“, „Menschlich und Göttlich“, „Himmel und Erde“. Mit diesen Gegensätzen auf die Welt und unser Leben zu schauen, ist die Sichtweise, wie wir sie meistens gelernt und oft gut eingeübt haben. Allerdings kann diese Sichtweise dazu führen, dass Nuancen und die Wechselwirkungen zwischen diesen Polen übersehen oder vereinfacht werden. Es wird das verbindende „sowohl als auch“ nicht beachtet. Viele Politiker auf der ganzen Welt arbeiten zurzeit erfolgreich mit diesem Denkmuster des Dualismus. Was aber der Komplexität der modernen Welt und vor allem den Menschen, die in ihren Einflusssphären leben, nicht gerecht wird.
Das Prinzip „der Drei“, des „sowohl/als auch“, fordert uns auf, differenzierter, genauer, empathischer, diffiziler und mehr Aspekte beleuchtend auf die Wirklichkeit zu schauen. Wir alle lernen gerade, dass es mehr gibt als „Männlich und Weiblich“. Wir alle lernen gerade an Ostern wieder, dass es mehr gibt als „Leben und Tod“. Wir alle lernen gerade, dass es mehr gibt als „Gut und Böse“. Es gibt immer viel mehr Schattierungen, Nuancen und Zwischentöne, die über das einfache dualistische Denken hinausgehen. Es gibt immer auch das ganz andere, das uns plötzlich bewusst werden kann, und noch viel mehr. Denn die Wirklichkeit ist komplexer und vielschichtiger, als wir es oft wahrhaben wollen. Schauen wir nur auf unser eigenes Leben. Gute Seelsorge und gute Psychotherapie versuchen dieser Wirklichkeit heute professionell gerecht zu werden, damit das Leben neu aufblühen kann und damit es nicht in der oft engen dualistischen Sichtweise des „entweder/oder“ hängen und stecken bleibt.
Das Bild Gottes als dreifaltiger Gott ist ein Bild, mit dem uns Jesus in die Offenheit des Lebens führen möchte. Die Dreifaltigkeit öffnet dieses Prinzip der „Zweiheit“, das Prinzip des „entweder/oder“, hin zur öffnenden „Dreiheit“ des „sowohl/als auch“, die Dynamik, Bewegung, Flexibilität, Kreativität, Tiefe, Interaktion, Gemeinschaft und vieles mehr zulässt, fördert und ermöglicht. Gott ist sowohl Vater, Sohn als auch Heiliger Geist. Nikolaus von Kues nennt dies die „Coincidentia oppositorum“, den Zusammenfall aller Gegensätze. Ja, die Dreifaltigkeit ist eine Zumutung. Nicht erst, wenn wir uns tief in die Dogmatik vertiefen, sondern auch, weil sie uns herausruft aus Enge, aus Einseitigkeit, aus dualistischem Denken, aus dem „entweder/oder“.
„Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Jesus ist bei uns, wenn wir uns diesem öffnenden Prinzip Gottes, dem Heiligen Geist, der darin wirkt, öffnen. Er ist da, wenn wir uns der Komplexität des Lebens stellen. Er ist da, wenn wir uns aufmachen, in diesem Namen der Offenheit, für alle Menschen, „geht zu allen Völkern“, zu leben, zu handeln, zu denken. Er ist da, wenn wir uns dem „sowohl/als auch“ und dem noch ganz anderen öffnen. Die uns von Papst Franziskus angebotene Synodalität führt uns genau auf dieser Spur der Offenheit in eine offene Kirche für alle hinein. Gott ist Dynamik, Gott ist Gespräch, Gott ist Hören, Gott ist Geist, Gott ist Lebendigkeit, Gott ist Bewegung, Gott ist „sowohl/als auch“ und noch vieles mehr. Dieses heutige Fest lädt uns ein, in die Offenheit zu gehen. Es lädt uns ein, uns zu trauen, uns den komplexen Fragen unseres Lebens, unserer Gesellschaft und unserer Kirche zu stellen, damit wir dem Leben in seiner ganzen Tiefe, Höhe und Breite gerecht werden. Jesus lädt uns heute ein, dass dieses göttliche Prinzip der Offenheit, raus aus der Dualität, in uns und für „alle“ Raum greifen kann.
Sascha Heinze SAC