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Knoten lösen

In der Kirche St. Peter am Perlach in Augsburg hängt in einer Seitenkapelle das Bild „Maria Knotenlöserin“. Weltweit bekannt wurde es durch die Verehrung durch Papst Franziskus. 1986 entdeckte er es in Augsburg und brachte eine Anzahl von Karten mit der Darstellung nach Argentinien. Von dort aus förderte er die Verehrung dieses Geheimnisses Mariens: Knotenlöserin.

Jemand, in diesem Fall Maria, die mir hilft, Knoten, Verknotungen in meinem Leben, in meiner Familie, in meiner Gruppe, in meiner Institution, in der Welt zu lösen. Knoten lösen. Knoten, die sich bilden in Beziehungen, in meiner Suche nach dem Sinn des Lebens, in der vererbten Geschichte meiner Familie und meiner Generation.

Vererbte Geschichten, vererbte Knoten, vererbte, also übernommene, Gebundenheiten an die Geschichten der Vorfahren werden heute gerne in Aufstellungen angeschaut, manchmal verstanden, manchmal gelöst. Hinter dem Geheimnis des heutigen Festes steht das Bild einer Frau, die frei ist von den Gebundenheiten, von Ungereimtheiten, die wir so oft mit uns und durch unser Leben tragen. Hinter dem Geheimnis des heutigen Tages stehen der alte Wunsch und die alte Vorstellung, dass Maria, die den Sohn Gottes zur Welt bringt, frei sein sollte, frei sein musste von diesen Koten, von diesen Gebundenheiten, von der „Erbsünde“, wie es die Theologie nennt.

Dahinter steht der Wunsch, ganz zu sein, ohne Verknotungen, ohne ungute Gebundenheiten leben zu können. Die Bibel nennt es heute so, wir haben es gerade gehört haben: „In jener Zeit wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.“ Auch die Jungfräulichkeit steht für dieses Unverfügbarkeit, für diese Freiheit, für dieses frei sein von Verknotungen, von Gebundenheiten, die uns am Leben hindern. Maria also ein Symbol für Freiheit, für Vollkommenheit, für Ganzheit, für Ungebundenheit. Lange ein Ideal, mehr jedoch eine Möglichkeit der Freiheit, eine Möglichkeit der Ungebundenheit, welche uns helfen kann, Knoten zu lösen, Gebundenheiten zu entbinden.

Denn menschliches Leben gibt es nicht im verklärten Ideal einer „ohne Erbsünde Empfangenen“ wie dieses Fest offiziell heißt, sondern menschliches Leben gibt es immer nur unter den Bedingungen menschlicher Existenz. Unter Bedingungen, welche Beziehungen und menschliche Geschichte oft miteinander verknotet. Unter Bedingungen, welche in mir, in unseren Familien und Lebensgemeinschaften, in Freundschaften, in unser Arbeit, in unser Gesellschaft, in unser Welt, immer wieder Verknotungen, Gebundenheiten, Abhängigkeiten, Verflechtungen, Verstrickungen, undurchsichtige Situationen schafft, hervorbringt, ausprägt. Hier ein Bild zu haben, das uns hilft, diese Situationen zu lösen, ist uns im Bild der Knotenlöserin gegeben, ist uns im Bild von Maria „der ohne Erbende Empfangenen“ gegeben. Auch wenn es unsere Aufgabe ist, dieses Geheimnis ins Heute zu deuten, seinen Sinn für uns zu erschließen, damit das Geheimnis bewahrt, das Bild gewürdigt, und die dahinterliegende Weisheit geborgen und für uns hilfreich und existentiell wirksam werden kann. Und damit wahr bleibt und wahr wird, was Paulus an die Gemeinde in Ephesus schreibt:

„Gepriesen sei Gott, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm. Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne (und Töchter) zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn. In ihm sind wir auch als Erben vorherbestimmt nach dem Plan dessen, der alles so bewirkt, wie er es in seinem Willen beschließt; wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher in Christus gehofft haben.“

Dieser Text zeigt uns, dass wir zwei Naturen besitzen, eine göttliche, eine ewige und eine menschliche, eine begrenzte. Diese beiden Naturen dürfen wir immer wieder einmal versuchen zusammenzubringen, hinter die Grenzen der Begrenztheit zu schauen, durch das Lösen von Knoten, damit immer wieder einmal Ganzheit, Vollkommenheit erfahren, geschmeckt, erkannt und verstanden werden kann, damit wir, immer wieder einmal, mit dem ganzen Geheimnis unseres Lebens in Berührung kommen. Trauen wir uns also hin an unsere Knoten, an unsere vererbten Geschichten und Gebundenheiten, damit Lösung, damit Erlösung erlebt und erfahren werden kann. Dann wird uns – vielleicht – auch das Geheimnis dieses Festes zugänglich und verstehbar. Und dann können wir auch heute das “Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria” mit innerer Zustimmung und Freude feiern.

Sascha Heinze SAC

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