„Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau und es gibt kein Entrinnen.“
Diese Metapher spricht in ihrer Kraft für sich. Und ich muss, so glaube ich, nicht viel Phantasie anregen, um einen Bezug zum Erleben vieler Menschen, vielleicht auch dem Erleben von manchem, von mancher von euch herzustellen. Friede und Sicherheit, die großen Versprechen, der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Versprechen für Europa, ein Versuch, dieses Versprechen in der Welt einzulösen. Meine Generation ist damit aufgewachsen, und ist damit gut aufgewachsen. Wir hatten viele Möglichkeiten, die ein freies, friedliches und durch Wohlstand gesichertes Leben ermöglichten.
„Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.“ Wir sollen uns vom Leben nicht überraschen lassen, indem wir uns in einer Sicherheit wiegen, welche die Wirklichkeit ausblendet. Welche die Wirklichkeit negiert, weil wir aus unserem Gefühl des Friedens und der Sicherheit gerissen werden.
Der Text ist in Erwartung der Parusie, also der baldigen Wiederkunft Christ, zu lesen und zu deuten. Diese wurde zu Lebzeiten der Generation nach Christi Tod erwartet. Deswegen war die „Lauer“ und die Wachsamkeit von großer Bedeutung, da vieles ja mit dem Schema „Gut und Böse“ und mit Gericht verbunden war. Paulus greift diese Ängste auf und möchte sie ins Licht Christi, ins Licht der Zuversicht, der Auferstehung stellen.
Ebenso macht es Jesu im Gleichnis, von dem uns heute berichtet wird. Es geht darum, sich nicht von der Angst vor dem Weltuntergang, der damals mit der Wiederkunft Christi verknüpft war, einengen und bestimmen zu lassen. Sicherheit und Friede, Schutz und Halt, sind wichtige Haltepunkte im Leben, die jede und jeder von uns braucht, um gut leben zu können, doch gehört es auch dazu, die Unsicherheit und Fragilität des Leben als Möglichkeit der Bedingungen unsers Lebens mit in unser Leben zu integrieren. Dann überraschen sie uns nicht so sehr, wenn sie in unser Leben eintreten, entweder in unser persönliches oder in unser kollektives Leben. In das Leben, dass sich in Ereignissen außerhalb von uns, in der Gesellschaft und der Welt ereignet. Wenn wir aus Angst vor dem, was alles geschehen könnte, das Leben eingraben, so wie es uns im Evangelium von dem Diener geschildert wird, werden wir keinen Lohn, werden wir kein Wachstum, werden wir keine Entwicklung erleben können, und es wird uns nicht gelohnt werden. Gelohnt mit Ertrag für unser Leben und für das Leben mit anderen.
„Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.“ … „Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt“, so gesteht es der Diener. „Angst frisst Seele auf“, sagt uns eine Weisheit. Wenn wir unserer Angst freien Raum geben, werden wir in die Enge getrieben, vom Leben abgeschnitten, und müssen Maßnahmen ergreifen, die uns vermeintlich absichern, abschotten, die uns vermeintlich Heimat sichern, Identität geben, Sicherheit und Frieden gewähren.
Lassen auch wir uns nicht täuschen. Trauen wir der Botschaft des Lichts. „Ihr alle seid Söhne (Töchter) des Lichts und Söhne (Töchter) des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein.“
Wach undnüchtern, das ist eine Lebenshaltung, die uns in unserer Weltsituation, so wie sie uns dargestellt wird, und wie sie uns beeinflussen kann, sehr hilfreich für uns sein kann. Wach und nüchtern meine Dinge tun. Die Dinge, die zu meinem Leben gehören, jeden Tag, jede Stunde. Mich mit dem auseinanderzusetzen, was die Bilder, die Nachrichten, die Erfahrungen in meinem Lebensalltag, bedingt durch Inflation usw. mit mir machen. Eine der Hauptaufgaben ist, mit dem umgehen zu lernen, was sich mir in meinem Leben zeigt, und nicht an einer Erfahrung und an einem Wunsch von Frieden und Sicherheit hängen zu bleiben, die es in unserer Wirklichkeit so nicht mehr gibt, aber vielleicht auch nie gegeben hat. Dazu möchten uns die heutigen Lesungen, möchten uns die Erfahrungen von Paulus und Jesus ermutigen.
Sascha Heinze SAC